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Silbernetz Wohnmobil Wohnwagen

Experten-Interview: Silberprodukte im Frischwassertank – Zugabe (un)bedenklich?

Viele Camper nutzen es, im Campingfachhandel wird es aktiv beworben, in Facebookgruppen und Foren teils kontrovers diskutiert: Silber zur Trinkwasserkonservierung in Wohnmobil und Wohnwagen. Silber ist ein Edelmetall, das heute vielseitige Anwendungen im Alltag findet – etwa in der Elektro- oder Medizintechnik, bei der Verarbeitung von Münzen und Schmuck, als Desinfektionsmittel in der Medizin, in Kleidungsstücken oder Kosmetika. In Campingfahrzeugen findet es vor allem in Form von Netzen, Pads oder Kugeln aus Silber im Frischwassertank Anwendung.

Die Meinungen gehen hier weit auseinander und auch wir selbst sind natürlich keine Fachleute der Naturwissenschaften. Deshalb haben wir uns zu diesem sensiblen Thema einen Experten an Bord geholt, der uns Rede und Antwort steht.

Dr. Michael SaefkowDr. Michael Saefkow, Doktor der Biologie und seit mehr als 40 Jahren in der Mikrobiologie sowie Klinik- und Lebensmittelhygiene tätig, beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Silber im Frischwasser und setzt sich für eine umfassende Aufklärung darüber ein, welche Wirkungen die Aufnahme von Silber auf den menschlichen Körper haben kann. Er erklärt in diesem Interview ausführlich, ob diese Produkte die Wasserqualität beeinflussen und/oder den Körper belasten können und welche Mittel als Alternative zur Verbesserung der Wasserhygiene in Frage kommen könnte.

CamperStyle: Herr Dr. Saefkow, ich halte soeben eine Produktverpackung eines Silberproduktes in Form eine Netzes in der Hand, auf der steht: „Konservierungstechnologie zulässig gemäß §11 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) für die Trinkwasserkonservierung in mobilen Einrichtungen“ und „[…] wurde speziell für die sichere Trinkwasserkonservierung in Wohnmobilen, Wohnwagen, Booten, Offroad- u. Expeditionsfahrzeugen entwickelt“. Wenn ich das als Camper lese, würde ich das Netz bedenkenlos in den Tank geben. Sie würden davon abraten – weshalb?

Dr. Michael Saefkow: Fangen wir einmal ganz vorne an. Bei den Netzen, Pads oder Kugeln aus Silber, die für Wassertanks im Umlauf sind, spricht man von sogenanntem kolloidalem Silber: Es besteht aus massivem Silber und Silberfäden bis hin zu ultrafeinen Partikeln (Nanosilber). Aus diesem Grundmaterial lösen sich nach und nach einzelne Silberionen heraus, die die eigentliche Wirkung hervorrufen. Sie sind hochreaktiv und attackieren gleichzeitig verschiedene Zellaktivitäten, unterbrechen lebenswichtige Prozesse und töten etwa Bakterien letztlich ab. Die Silberionen dringen aber nicht nur in Bakterien & Co. ein, sondern finden ihren Weg auch durch die Zellwände des menschlichen Körpers – nämlich dann, wenn das mit Silber behandelte Wasser zum Trinken, Waschen und sogar nur zum Duschen konsumiert wird.

CamperStyle: Die Silberionen, die freigesetzt werden, wirken also gleichermaßen auf die Keime im Wassertank und auf den menschlichen Körper?

Dr. Michael Saefkow: Richtig. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Wenn jemand ein Frühstücksei mit einem Silberlöffel isst, schmeckt das Ei bitter. Warum? Weil die Silberionen, die aus dem Löffel austreten, mit dem Schwefel im Ei sofort reagieren und den bitteren Geschmack erzeugen. Das geht rasend schnell. Diese geringe Konzentration ist noch nicht schädlich für den Körper. Zudem ist der Zeitraum, in dem sich das Ei auf dem Löffel befindet, so kurz, dass die Ionen das Ei gar nicht komplett durchdringen können. Das heißt, die desinfizierende Wirkung, die Silber nachgesagt wird, kommt ebenfalls nicht zum Tragen. Es ist also doppelt sinnlos – es schmeckt bitter und ist wirkungslos.

Beim Netzen und Kugeln aus Silber im Frischwassertank sieht das schon etwas anders aus, denn: Da passiert zwar genau das Gleiche wie beim Löffel – also das Silber gibt Ionen ab –hier jedoch in den Wassertank, und das permanent und ununterbrochen. Das Problem dabei ist, dass das Produkt ja nicht weiß, wann es aufhören soll, die Ionen abzugeben, also wann eine Konzentration erreicht ist, die zwar Bakterien tötet, aber ab der es für den Menschen schädlich wird. Hinzu kommt, dass seit vielen Jahrhunderten bekannt ist, dass die Chemikalie Silber gegen viele Krankheitserreger gar nicht wirkt. Und dann finde ich es schon erstaunlich, dass man es als Desinfektionsmittel einsetzt, obwohl es weder richtig wirkt noch so dosiert werden kann, dass es den Menschen nicht schädigt.

Dazu kommt: Neben der direkten Schädigung von menschlichen Zellen haben Silberionen aber auch einen indirekten Effekt. Das Gehirn ist durch die Blut-Hirn-Schranke geschützt. Im Prinzip können schädigende Stoffe nicht aus dem Blut in das Gehirn gelangen. Alkohol und Kopfschmerztabletten bilden da eine Ausnahme. So kann auch kolloidales Silber nicht in das Gehirn gelangen, worauf die Vertreiber dieser Produkte gerne und richtig hinweisen. Verschwiegen wird aber, dass die freigesetzten Silberionen sehr wohl in das Gehirn gelangen und dort schädigende Wirkung entfalten können. Sie schädigen dort die Neurotransmitter. Das sind Botenstoffe, die eine Kommunikation zwischen den Nervenzellen sicherstellen. Das führt zu Störungen der Hirnleistung, psychischen Problemen und beeinträchtigt über das zentrale Nervensystem die Steuerung der Muskeln. Und dies bereits bei Konzentrationen unter 0,02 Milligramm pro Liter Wasser. Zur Einordnung: Bis zu Jahr 2017 durften unserem Trinkwasser maximal 0,08 Milligramm Silber pro Liter zugesetzt werden.

CamperStyle: Weshalb werden dann überhaupt Silberprodukte für den Campingbereich eingesetzt?

Dr. Michael Saefkow: Die Antwort wird Ihnen nicht gefallen: Weil man das eben so macht. Das kommt von ganz früher, als die besseren Herrschaften mit Silberbesteck gegessen haben und man überzeugt war, dass Silber Keime tötet – was ja auch stimmt, aber nur wenige und nur in bestimmter Konzentration – und Silber ja gut sein muss, denn es ist schließlich teuer. Dieser Mythos hält sich in einigen Bereichen bis heute. Deshalb verkaufen sich Silberprodukte auch im Campingbereich noch sehr gut, obwohl es hier offensichtlich ist, dass man Silber konsumiert. Bei Kosmetika weiß der Verbraucher ja meist gar nicht, dass Silber enthalten ist.

CamperStyle: Sie beziehen sich in Ihren Ausführungen auf wissenschaftliche Erkenntnisse, dass eine hohe Silberionenkonzentration den menschlichen Körper in vielerlei Hinsicht schädigt, auch wenn die Forschung noch in den Anfängen steckt. Können Sie hierzu Beispiele anführen?

Dr. Michael Saefkow: Zum einen gibt es die Krankheit Argyrie. Sie wird hervorgerufen durch Silber und ist deshalb nach dem lateinischen Namen für Silber, Argentum, benannt. Das ist eine grau-bläuliche Verfärbung von Haut und Schleimhäuten, die beispielsweise durch die Einnahme von silberhaltigen Nasensprays und Hautcremes entstehen kann. Das ist sicher eine Seltenheit, aber dennoch eine erforschte Krankheit – für die es keine Heilung gibt. Die Verfärbung bleibt ein Leben lang bestehen. Silberschmiede kennen die bläuliche Verfärbung vor allem von ihren Fingern. Diese Erscheinung ist gerade als Einstufung als Berufskrankheit in der Diskussion.

In der Ärzte-Zeitung steht in einem Artikel vom September 2012, dass Silber in viele Medizinprodukte (zum Beispiel Pflaster, Katheder) integriert wird, um die Heilung zu fördern und Entzündungen zu verhindern. In keinem Fall konnte eine heilende Wirkung nachgewiesen werden. Doch das medizinisch eingesetzte Silber schädigt in der benötigten Dosis menschliche Gewebezellen. Zudem schwächt das Bluteiweiß Albumin die Wirkung auf Bakterien, doch das Silber behält dennoch die volle zytotoxische Wirkung gegen menschliche Zellen bei. Das hat ein Team um Professor Stephan Barcikowski vom Center for Nanointegration (CENIDE) der Uni Duisburg-Essen (UDE) in drei Veröffentlichungen belegt.

In einer weiteren Veröffentlichung, in diesem Fall vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), ist in der Stellungnahme Nr. 024/2010 folgendes zu lesen: „Das BfR empfiehlt Herstellern, auf die Verwendung von nanoskaligem Silber oder nanoskaligen Silberverbindungen in Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs zu verzichten, bis die Datenlage eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung zulässt und die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Produkten sichergestellt werden kann.“ Bereits zu diesem Zeitpunkt, also vor zehn Jahren, hatte das BfR gut 30 wissenschaftliche Arbeiten zitiert, die sich mit der Problematik von Silber befassen. So zeigen sieben dieser Arbeiten, dass Silber unwirksam gegen folgende Bakterien ist: Escherichia coli, Salmonella spp., Salmonella typhimurium, Pseudomonas ssp., Acinetobacter baumannii, Staphylococcus aureus und Enterobacter cloacae. Dies sind alles Bakterien, die schwere und vor allem meldepflichtige Erkrankungen hervorrufen können und im Biofilm von Wassertanks leben können.

Und das sind nur einige Beispiele für zahlreiche existierende Studien und Untersuchungen, die eine schädigende Wirkung von Silber zumindest als wahrscheinlich einstufen oder sogar belegen. Aufgrund der seit dem Jahr 2010 erforschten Ergebnisse ist auch unser am strengsten kontrolliertes Lebensmittel in Deutschland, unser Trinkwasser, zuletzt rechtlich von der Möglichkeit, Silber hinzuzufügen, bereinigt worden – mit der 19. Änderung der Trinkwasserverordnung.

CamperStyle: Und was genau regelt die neue Trinkwasserverordnung von 2017 in Bezug auf das Silbervorkommen?

Dr. Michael Saefkow: Im öffentlichen Trinkwasser wird schon seit vielen Jahren kein Silber mehr zugesetzt. Zur Aufbereitung von Wasser zu Trinkwasser im Anwendungsbereich der Trinkwasserverordnung dürfen nur Stoffe eingesetzt werden, die in der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren nach Paragraph 11 der Trinkwasserverordnung aufgeführt sind. Daher ist die anfangs zitierte Gebrauchsanweisung auch schlichtweg unrichtig: Silber ist nicht nach Paragraph 11 der Trinkwasserverordnung zugelassen. Denn die Trinkwasserverordnung verweist im Paragraph 11 lediglich auf eine Liste, welche Aufbereitungsstoffe für Trinkwasser zugelassen sind. Diese Liste wird vom Umweltbundesamt geführt und mindestens einmal im Jahr aktualisiert. Im Moment gilt die 21. Änderung vom Dezember 2019. Bis zur 18. Änderung waren unter Punkt 54 noch Silber und Silberchlorid aufgeführt – mit der 19. Bekanntmachung vom Dezember 2017 kommen Silber und Silberchlorid nicht mehr vor – es ist also nun auch rechtlich nicht mehr zulässig.

CamperStyle: In der öffentlichen Versorgung darf Silber also ausdrücklich nicht mehr eingesetzt werden, im privaten Gebrauch aber schon. Woher kommt diese rechtliche Lücke?

Dr. Michael Saefkow: Als Wissenschaftler, aber auch als Privatperson ärgert mich das massiv. Es ist so: Es gibt die europäische Biozidverordnung – diese ist automatisch Gesetz in jedem Mitgliedsstaat. Die Trinkwasserverordnung in Deutschland steht als Verordnung unter dem Gesetz. In der Biozidverordnung ist jedoch geregelt, dass die einzelnen Länder für den öffentlichen Bereich eigene Regelungen erlassen dürfen. Daher ist unsere Deutsche Trinkwasserverordnung nur für den öffentlichen Bereich gültig, der private Bereich ist ausgenommen. Viele Firmen, die Silberprodukte im Campingbereich verkaufen, argumentieren, dass die Wasserversorgung im Wohnmobil privat sei. Und jetzt kommt es: Wenn ich ein Glas Wasser aus meinem Frischwassertank entnehme und das trinke, ist es privat. Wenn ich meinem Campingnachbarn ebenfalls ein Glas Wasser anbiete, wird es öffentlich – das darf ich also nicht, wenn ich mit Silberprodukten arbeite. Ich kann als Wissenschaftler hier nur an die Eigenverantwortung und Fürsorge jedes Campers appellieren. Es gibt gute Alternativen zu Silberprodukten, die zum einen ungefährlich für den Menschen sind und zudem noch viel besser wirken.

CamperStyle: Sollten Wohnmobilisten und Camper denn überhaupt etwas in den Frischwassertank geben? Reicht eine normale Hygiene nicht aus?

Dr. Michael Saefkow: Naja, das kommt auf zahlreiche Faktoren an. Da ist zum einen die Wasserquelle – also Stufe 1 des Durchflusses von der Quelle zum Verbrauch. Wenn man eine vertrauensvolle Wasserquelle anzapft, aus der ganz sicher sauberes Trinkwasser kommt – wunderbar. Leider ist das nicht überall gegeben. Im zweiten Schritt, der Wasserzufuhr, wird es schon vielfältiger: Verwendet man einen eigenen Schlauch zum Einfüllen, der regelmäßig gereinigt und desinfiziert wird, oder eine ebenso gepflegte Gießkanne, ist das relativ unbedenklich. Wird aber der Schlauch, der seit Wochen in der prallen Sonne auf dem Campingplatz hängt und noch nie gereinigt wurde, verwendet, noch dazu ist er vielleicht 30 Meter lang, wo eine Menge Platz für Keime ist – dann bin ich sicher, dass das saubere Wasser, wenn es im Tank angekommen ist, nicht mehr ganz so sauber ist. Das gleiche gilt für lange Stichleitungen zu Zapfhähnen, die auf dem Campingplatz verteilt stehen und die Wasserentnahme erleichtern sollen. Denn die innere Oberfläche dieses Schlauches oder Rohres ist mit etwa eineinhalb Quadratmetern ein wunderbarer Platz, um einen Biofilm zu bilden, auf dem eine Menge für den Menschen gefährliche Bakterien und Mikroorganismen leben. In Häusern darf eine Stichleitung, zum Beispiel zu einer Dusche, maximal drei Liter Wasser beinhalten. Die kann man einfach ablaufen lassen. Die 30 Meter lange Stichleitung auf dem Campingplatz beinhaltet aber 16 Liter Wasser!

CamperStyle: Wie sieht es mit Schläuchen aus, die nach dem Regelwerk der Gas- und Wasserwirtschaft (DVGW) geprüft sind?

Dr. Michael Saefkow: Nun ja, es ist nicht verkehrt, denn das bedeutet, dass das Material des Schlauches für den Gebrauch geeignet ist und sich keine schädlichen Partikel und Stoffe ablösen. Es entbindet aber nicht davon, den Schlauch regelmäßig zu reinigen – denn ein Biofilm kann sich hier genauso absetzen. Es ist aber ein weiterer richtiger Schritt, um sauberes Trinkwasser zu haben.

CamperStyle: Und im Tank selbst – was kann da noch passieren?

Dr. Michael Saefkow: Sollte ein Keim, auf welchem Weg auch immer, in den Frischwassertank eingedrungen sein, dann hat er eine reiche Nahrungsquelle gefunden. Denn im Trinkwasser ist eine Menge drin, etwa Spurenelemente, Magnesium und mehr – all das lieben die Mikroorganismen. So gibt es etwa Bakterien, die von Schwefel leben und so genügend biologische Substanz für normale Bakterien bilden. Wenn dann noch der Faktor Hitze dazu kommt, passiert die Vermehrung der Keime explosionsartig. Hier ist es wichtig, einen guten Durchfluss zu haben und zumindest das Wasser sehr regelmäßig nach einigen Tagen zu wechseln.

CamperStyle: Sollte durch eine der drei Stufen eine Verunreinigung im Wassertank entstehen – merkt man das zwangsläufig oder ist es für den Menschen gar nicht so bedenklich?

Dr. Michael Saefkow: Kleine Verunreinigungen sind unsere Körper gewohnt, die treten auch Zuhause durch einen nicht regelmäßig gewechselten Spüllappen oder ähnliches auf. Führen wir unserem Körper aber eine große Menge an schädlichen Bakterien zu, kann es ungemütlich werden – und manchmal auch gefährlich. Einiges nehmen wir gar nicht so wahr, zum Beispiel höre ich von vielen Campern, dass sie zumindest einmal während des Sommerurlaubs an Durchfall oder Magen-Darm-Problemen leiden. Das kommt oftmals tatsächlich vom Wassertank, vor allem anfangs, wenn der erste Durchlauf noch nicht gegeben ist.

CamperStyle: Viele Camper führen ein- bis zwei Mal pro Jahr eine Grundreinigung ihres Wassertanks mit einem Chlormittel durch. Reicht das?

Dr. Michael Saefkow: Es ist besser als gar nichts zu machen. Wenn dann die genannten Stufen des Wasserdurchflusses alle in Ordnung sind, passt das auch. Da aber selten alle Bedingungen erfüllt sind, lohnt es durchaus, ein Mittel in den Tank zu geben, dass das Wasser zuverlässig sauber hält.

CamperStyle: Und was würden Sie statt Silberprodukten empfehlen?

Dr. Michael Saefkow: Aktives Chlor ist eine prima Sache. Es ist nach Trinkwasserverordnung zur Behandlung von Trinkwasser zugelassen, weil es wirkt und den Menschen nicht gefährdet.

CamperStyle: Können Sie das erläutern – wie wirkt aktives Chlor?

Dr. Michael Saefkow: Handelsübliche Chlormittel wie Chlordioxid oder Calciumhypochlorid sind Mittel, die man in höherer Dosierung einsetzen muss. Warum? Weil das Chlor-Ion, also das, was gegen Bakterien und Keime im Wasser wirkt und desinfiziert, erst freigesetzt werden muss. Deshalb wird es als freies Chlor oder auch aktives Chlor, aus dem Englischen „active chlorine“ bezeichnet.

Und in meiner Tätigkeit habe ich bei der Entwicklung von Verfahren mitgewirkt, in denen nach dem Herstellungsprozess direkt das aktive Chlor herauskommt. Es hat eine viel höhere Wirksamkeit als normale Chlormittel, denn es wirkt direkt, vollständig und ohne Zeit- und Energieaufwand und vor allem ohne gesteigerte Toxizität für den Menschen. Deshalb reichen sehr geringe Mengen im Einsatz und schaffen es damit, in einer zugelassenen Konzentration durch die Trinkwasserverordnung den Frischwassertank im Wohnmobil und Wohnwagen sauber zu halten.

CamperStyle: Wie niedrig ist denn die Chlor-Konzentration?

Dr. Michael Saefkow: Mit einem Milligramm auf einen Liter Wasser kann das aktive Chlor innerhalb von 30 Sekunden eine medizinische Desinfektion durchführen – das heißt, die Keimanzahl von 10 Millionen auf weniger als 100 reduzieren. Und das ist ja nur ein Extrembeispiel, so eine Reinigung braucht es im normalen Alltag nicht.

CamperStyle: Wurde das Mittel ausschließlich für den Campingbereich entwickelt?

Dr. Michael Saefkow: Nein, wir setzen es auch in Pflegeheimen, in Zahnarztpraxen, in der Binnenschifffahrt und im Lebensmittelbereich ein. Es ist kein Gefahrstoff, weil die Konzentration so niedrig ist. Sie könnten es trinken – da passiert nichts. Membraclean+ ist ein naturidentischer, gar humanidentischer Wirkstoff und nach der Biozid-Verordnung ebenso zugelassen wie nach der Trinkwasserverordnung.

CamperStyle: Was bedeutet naturidentisch, und was humanidentisch?

Dr. Michael Saefkow: Naja, erstmal ist da sicher kein Totenkopf oder toter Fisch auf der Verpackung. Im Ernst: Naturidentisch erkläre ich gerne am Beispiel von Vanille. Es gibt so viel Vanilleeis und Pudding auf der Welt, so viele Vanilleschoten kann man nicht anbauen. Deshalb wird der Geschmacksstoff Vanillin künstlich hergestellt. Dabei ist er in der Molekülformel, also vom chemischen Aufbau und in seiner geschmacklichen Wirkung, exakt gleich wie das natürliche Vanillin – und das nennt man einen naturidentischen Wirkstoff.

Humanidentisch bedeutet, dass ein Stoff genauso wirkt wie im menschlichen Körper. In unserem Fall das Chlor-Ion: Die weißen Blutkörperchen nehmen Kochsalz aus dem Körper und produzieren daraus bei Gefahr das Chlor-Ion. Das tötet eindringende Bakterien – nichts anderes macht aktives Chlor.

CamperStyle: Also ist es für den Menschen ganz sicher unbedenklich – im Gegensatz zum Silber?

Dr. Michael Saefkow: Aktives Chlor darf mit bis zu 5,2 Milligramm pro Liter dem Trinkwasser zugegeben werden und tötet damit 99,999 Prozent aller vorhandenen Keime. Fünf Milligramm pro einem Kilogramm Körpergewicht haben laut einer umfangreichen Untersuchung von 71 wissenschaftlichen Studien durch die U.S. Environmental Protection Agency, Washington D.C., keine schädigende Wirkung auf den Menschen. Das bedeutet: Der Mensch könnte theoretisch täglich einen Liter maximal behandelten Trinkwassers pro Kilogramm seines Körpergewichts trinken, ohne irgendeine schädigende Wirkung. Noch einmal zum Vergleich: Mit der damals erlaubten Konzentration von bis zu 0,08 Milligramm Silber pro Liter Wasser konnten etwa 80 Prozent der Krankheitserreger abgetötet werden – das heißt also auch, 20 Prozent überlebten. Eine echte Desinfektion aber erlaubt nur das Überleben von maximal 0,001 Prozent aller Keime.

CamperStyle: Herr Dr. Saefkow, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Silberprodukte im Frischwassertank – (un)bedenkliche Zugabe? Die Antworten auf diese Frage, die das Experteninterview begleitete, bringen zahlreiche Informationen und Gedankenanstöße für Camper – und zeigen eines ganz sicher: Es ist lohnenswert, sich kritisch damit auseinanderzusetzen, welche – erwünschten und ungewünschten – Wirkungen mögliche Zusätze im Frischwassertank entfalten können.

Interview: Katja Scholz

Titelbild: (c) CamperStyle
Porträtfoto: (c) privat

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